01.12.2018

Ausstellung „Bunte Bilder“

Webteppiche aus Harrania

Zwischen den Pyramiden von Gisa und Sakkara liegt das Dorf Harrania. In den 50er Jahren begann hier der Architekt und Kunstprofessor Wissa Wassef ein pädagogisches Projekt zur Förderung der künstlerischen Kreativität von Kindern. Am Webstuhl konnten sie ihre Ideen ohne Vorgaben frei umsetzen. Ausgangspunkt war die fast in Vergessenheit geratene bildliche Webkunst der Kopten aus der Spätantike.

So entstanden Bilderwelten mit Motiven aus dem täglichen Leben auf dem Land wie Marktszenen, Hochzeitsfeiern, verschiedenen Festen und immer wieder die Natur, Bäume und Blumen, alle Arten von Tieren, aber auch Traumlandschaften und Motive aus Märchen – jeder Teppich ein Unikat, großflächig und stets ohne Vorlagen aus dem Gedächtnis geschaffen.

Als in den 70er Jahren durch zahlreiche Ausstellungen in westlichen Museen eine größere Öffentlichkeit auf die Teppiche aus dieser Werkstatt aufmerksam wurde, entstanden in Harrania und der Umgebung zahlreiche Webereien, die vor allem an den kommerziellen Erfolg anknüpfen wollten und nun vor allem kleine Formate für den Tourismus produzierten, nach Photos hergestellt und auch pharaonische Motive aufgreifend.

© Nina el Awadly
Teppichmotiv
Teppichweberin© Nina el Awadly
Teppichmotiv© Nina el Awadly
Weberin beim Teppichweben© Nina el Awadly
Weberin beim Teppichweben© Nina el Awadly
Halbfertiger Teppich, aufgespannt auf dem Webstuhl© Nina el Awadly

Das Selbsthilfeprojekt

1976 gründete der Ingenieur Fouad el Awadly gemeinsam mit seiner deutschen Frau Irmgard Frisch in Harrania eine Teppichmanufaktur als ein soziales Projekt. Die Familien der Weberinnen und Weber leben in enger Gemeinschaft. Sie erhalten für ihre Arbeit einen festen Lohn, auch wenn sich die Fertigstellung größerer Teppiche bis zu einem Jahr hinziehen kann. Ihre Kinder werden nach ihrer künstlerischen Begabung in den Webstuben ausgebildet. Das Dorf bietet insbesondere den Frauen einen Ort der freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit. Nach dem Tod ihrer Eltern führt Nina el Awadly deren Projekt fort, in den vergangenen Jahren wurden diese Teppiche in vielen Museen und Kulturinstitutionen in Deutschland, Dänemark, Irland und Japan gezeigt.

Die Kreativität der Weberinnen und Weber in der Tradition von Wissa Wassef entsteht in enger Zusammenarbeit und bleibt unbeeinflusst von der Omnipräsenz der pharaonischen Bilderwelt der nahen Gräber von Gisa und Sakkara. Die Teppiche bewahren ein Bild des Lebens auf dem Lande, das im heutigen Ägypten mehr und mehr verschwindet. Nur langsam und vereinzelt entstehen neue Motive: Eine Menge von Demonstranten schwingt die Fahnen des Ägyptischen Frühlings, Hochhäuser mit Fernsehantennen künden von der heranwachsenden Megacity Kairo. Nur ein Motiv taucht nie auf: die gewaltigen Bauwerke der Pyramiden, die auch im alten Ägypten seltsamerweise kein (Bild-)Thema waren…

01. Dezember 2018 – 31. Januar 2019