04.03.2014

Objekt des Monats März: Ein Porträtkopf der Nachamarna-Zeit

Der konzentrierte, ja angespannte Gesichtsaudruck erzeugt im Gegensatz zum bewegten Volumen der Haartracht eine Nervosität, die charakteristisch ist für die Epoche der Nachamarna-Zeit

Der in Schulterlinie gebrochene Kopf zeigt die Züge eines Mannes im fortgeschrittenen Alter mit einer gewellten Strähnenperücke. Die strenge Struktur ägyptischer Plastik wird zwar in der strengen Horizontale des Mundes und der strikten Vertikale des Scheitels aufgegriffen, aber durch zahlreiche Asymmetrien in der Wangen- und Mundpartie sowie dem Umriß des Kinns abgemildert. 
Der konzentrierte, ja angespannte Gesichtsaudruck erzeugt im Gegensatz zum bewegten Volumen der Haartracht eine Nervosität, die charakteristisch ist für die Epoche der Nachamarna-Zeit, der kurzen Umbruchphase zwischen der Regierungszeit des Echnaton und der Ramessidenzeit. In diesem Kopf werden die individualistischen Tendenzen der Kunst der Amarnazeit gesteigert zu einem Höhepunkt des Individualporträts, das die groteske Übersteigerung des Echnaton-Bildes hinter sich lässt und eine Verschmelzung von Innovation und Tradition verkörpert.
Die am Hinterkopf geteilte Perücke findet in der New Yorker Schreiberfigur des Haremhab, der als Nachfolger von Tutanchamun den Thron bestieg, ihre einzige Parallele.

Vgl. dazu Sylvia Schoske – Dietrich Wildung, Persönlichkeiten. Bildnisskulptur der Nachamarnazeit, Wien 2013, S. 26-33

Gabbro; H. 14 cm, Br. 12 cm, T. 9 cm
Saft el-Henna (Ostdelta)
Neues Reich, 18. Dynastie, um 1330 v. Chr.