01.06.2011

Objekt des Monats Juni ’11: Statue der Göttin Isis

Die Figur aus türkisgrüner Fayence konnte erst im Verlauf mehrerer Grabungsjahre aus Einzelfragmenten zusammengefügt werden.

Die Figur aus türkisgrüner Fayence konnte erst im Verlauf mehrerer Grabungsjahre aus Einzelfragmenten zusammengefügt werden. Zunächst wurde die Basis mit den Füßen gefunden. Sie stand in offenbar originaler Positionierung auf dem Altar im Sonnenhof des Amuntempels neben einem Opferbecken und einem Stapel von Keramiktellern. Beine und Unterkörper, der in zwei Fragmente zerbrochene Oberkörper sowie kleine Bruchstücke des Kopfes mit Diadem und Kronenuntersatz fanden sich im Schutt von drei angrenzenden Räumen. Beim Einsturz des Amuntempels hatten die nach Osten kippenden Säulen des Hypostyls die Rückwand des Sonnenhofes über dem Altar zusammenbrechen lassen, auf dem gerade noch geopfert worden war. Die Bruchstücke des aus dem Schutt ragenden oberen Teils der Fayencefigur wurden über das Umfeld verstreut.

Ein flacher Rückenpfeiler und die rechteckige Basis geben der Figur ihre formale Struktur, die ebenso dem ägyptischen Vorbild folgt wie das für Frauenfiguren typische Voransetzen des linken Fußes. Über dem beiderseits einer senkrechten Doppelfalte symmetrisch in Falten gelegten Kleid liegt ein Schultertuch, das zwischen den vollen Brüsten in einem Knoten zusammengefasst ist. Auf den Schultern sind die unteren Enden einer zu Löckchen gedrehten Frisur erhalten geblieben. Diese Frisur und der Gewandknoten sind eindeutige ikonographische Indizien für eine Darstellung der Göttin Isis. Als Göttin hält Isis in ihrer rechten Hand ein Lebenszeichen. Schmuckreifen sind an Oberarm, Unterarm und Handgelenk zu erkennen.

Zahlreich sind die ikonographischen Parallelen, die diese Isis-Statue in den Kontext ptolemäisch-römischer Skulpturen stellen, in denen das ägyptische Formprinzip in hellenistische Tracht gekleidet ist. Wenn es zunächst scheint. daß diese Statue ein Importstück aus dem römischen Ägypten sein könnte, so läßt doch die Stilistik der Körperbildung keinen Zweifel, dass es sich um das Werk meroitischer Künstler handelt. Ein Vergleich mit spätptolemäischen und römischen Frauenfiguren zeigt, dass die dicken Arme, die kurzen Beine und die kräftig ausgebildeten Oberschenkeln und Hüften der Statue jenes Ideal weiblicher Schönheit darstellen, das auch die Frauenfiguren der Tempelreliefs und Stelen von Naga prägt. So verbinden sich in dieser Statue Aspekte der ägyptischen, hellenistisch-römischen und meroitischen Kunst zu einem künstlerisch autonomen Werk.