01.02.2012

Objekt des Monats Februar ’12: Eine Grenzstele Ramses‘ II.

Das Bildfeld der Stele zeigt den König beim Erschlagen eines Feindes in Gegenwart einer tierköpfigen Gottheit.

Der Gegner, durch einen Bart als Asiate gekennzeichnet, ist auf die Knie gefallen und wird niedergehalten durch die Hand des Pharao, der ihn am Haarschopf packt. Dieser ist in schwungvollem Ausfallschritt dargestellt, den Arm mit der Waffe zum Schlag erhoben. Ihm gegenüber steht als Adressat der Handlung der Gott Seth, menschengestaltig mit dem Kopf eines Erdferkels, eines Wüstentieres. Als „Herr der Fremdländer“ ist er zuständig für die das fruchtbare Niltal umgebenden Wüstenregionen, seine Anwesenheit verstärkt die magische Wirksamkeit der Stele. Der nur teilweise erhaltene Text unter der Darstellung enthält die Titulatur des Königs sowie eine Rede des Gottes an Ramses II.Die Darstellung gibt kein historisches Kampfgeschehen wieder, sie symbolisiert vielmehr den Anspruch des Königs, der „Herr der Welt“ zu sein. Gemäß dem Königsdogma ist er der Garant der Maat, der Weltordnung und Gerechtigkeit, was seit Beginn der dynastischen Zeit (um 3000 v. Chr.) im Motiv des „Erschlagens der Feinde“ seine bildliche Umsetzung gefunden hat. Großformatig findet sich diese Szene auf vielen Pylonen, den monumentalen Torbauten der ägyptischen Tempel, aber auch Stelen und unzählige Objekte der Kleinkunst – Schmuck, Möbel, Waffen, Skarabäen – wurden mit dieser Darstellung dekoriert.

Die Stele stammt aus dem Wadi Sannur, das rund 100 Kilometer südlich von Kairo das Niltal mit dem Gold von Suez verbindet, also aus einem Grenzgebiet zum Ausland. Die Sicherung der ägyptischen Grenzen erfolgte nicht nur funktional durch den Bau großer Festungsanlagen, sondern auch programmatisch durch die Demonstration der Macht und Überlegenheit Pharaos. Daher finden sich an allen Zugängen zum Niltal Stelen, Felsreliefs und Graffiti mit der Darstellung des siegreichen, die Fremdländer unterwerfenden ägyptischen Herrschers. Für jeden Vorbeiziehenden sichtbar, dienten sie als Grenztafeln und zugleich der unmissverständlichen Zurschaustellung des in alle Himmelsrichtungen ausgreifenden Herrschaftsanspruchs Ägyptens.

So bilden die Felsreliefs des alten Reiches auf dem Sinai, die Felsinschriften des Neuen Reiches am 1. Katarakt und in Abu Simbel, die großen Stelen der ramessidischen Festungen am Mittelmeer und im Ostdelta, die Felsbilder an den Wadi-Einmündungen sowie die Stelen am Nahr el-Kelb, dem Grenzfluß zu Syrien, einen Schutzwall, der das Staatsgebiet durch die Wirklichkeit schaffende Kraft der Bilder magisch absichert.