01.12.2011

Objekt des Monats Dezember ’11: Ein Prinzessinnenkopf der Amarna-Zeit

In der vom Künstler ins Extrem gesteigerten typischen Form des Schädels eines Neugeborenen manifestiert sich der Sonnengott als Ursprung allen Lebens.

Pharao Echnaton (1353-1336 v. Chr.) hat mit seinem exklusiven Monotheismus des Sonnengottes Aton auch die Kunst Ägyptens revolutioniert. Spontane Momentaufnahmen ersetzen das seit anderthalb Jahrtausenden gültige motivlich und stilistisch strenge Regelwerk der Tempel- und Grabreliefs. Diese neue Kunst ist der bildliche Ausdruck der Schöpfung des Sonnengottes, der Echnaton selbst in seinem Sonnengesang literarischen Ausdruck verleiht.Die Skulpturen dieser kurzen Zeitspanne stellen fast ausschließlich die Mitglieder der Königsfamilie dar. Sehr zahlreich sind die Statuen der sechs Töchter des Königspaares; nie sonst sind Königskinder ein Hauptmotiv der altägyptischen Kunst gewesen. Einzigartig ist die Kopfform dieser Prinzessinnenstatuen. Der extrem weit ausladende Hinterkopf hat zu der Vermutung Anlaß gegeben, es handele sich um eine pathologische Missbildung oder um eine absichtliche Deformierung des kindlichen Schädels. Anzahl und Form dieser Köpfe sind jedoch nichts anderes als der Ausdruck göttlicher Schöpferkraft. In der vom Künstler ins Extrem gesteigerten typischen Form des Schädels eines Neugeborenen manifestiert sich der Sonnengott als Ursprung allen Lebens.

Während die impressionistische Kunst der Reliefs der Amarna-Zeit im Ägyptischen Museum in München in einer reichen Sammlung erlebbar ist, besitzt das Museum nur einen fragmentarischen Kopf einer Prinzessinnenfigur. Diese Lücke wird nun durch eine Leihgabe aus französischem Besitz geschlossen, die dem Museum mit Blick auf die Eröffnung des Neubaus zur Verfügung gestellt wird.

Der kleine, perfekt erhaltene Kopf fügt sich in die Reihe der Prinzessinnenköpfe in Kairo und Berlin ein. Sie sind alle aus braunem oder braun-rotem Quarzit (silifizierter Sandstein) gefertigt und weisen die typische extrem überlängte Form des Hinterkopfes auf. Sie sind für die Einfügung in eine Komposit-Statue aus anderem Material – Kalkstein oder Holz – ausgelegt. Die vollen Lippen, die samtige Haut der weich modellierten Wangen, die leicht schräg gestellten Augen geben dem Gesicht den Reiz erblühenden Lebens – ein Ausdruck der Präsenz des Sonnengottes auf Erden.

Der auf den zahlreichen Reliefs der Echnaton-Zeit beruhende Rang des Ägyptische Museums München als europaweit neben Berlin beste Sammlung von Werken dieser zentralen Epoche altägyptischer Kunstgeschichte findet in der Bereitstellung dieser Leihgabe eine außergewöhnliche Anerkennung und Vertiefung.