01.10.2021

Königlicher Fußboden

Fragmente eines königlichen Palastfußbodens mit Maelrei von Fischen und Enten© SMÄK, Marianne Franke

Fußbodenmalerei

Dunkelblaue Zickzacklinien auf hellblauem Grund kennzeichnen eine Wasserfläche, auf der Blüten, Knospen und Blätter der Lotospflanze treiben. Zwischen ihnen schwimmen kreuz und quer Enten, die schwerelos durchs Wasser gleiten, ihre Füße in typischer Schwimmhaltung. Ein großer Fisch steht für das Leben unter Wasser. Sein Körper wird, ebenso wie teilweise die Vögel, von den Wasserlinien überschnitten, um so die Transparenz des Wassers sichtbar zu machen. Die Stängel der Pflanzen wirken wie abgeschnitten, sie verlieren sich in der Tiefe des Wassers und deuten so eine dritte Dimension an. Die schillernde Farbigkeit von Vogelfedern und Fischschuppen wird durch die Kleinteiligkeit der feinen Pinselstriche erzeugt.

Diese Fragmente gehören zu den wenigen Belegen von Malerei außerhalb von Gräbern und Tempeln. Sie stammen aus dem riesigen Areal des Palastes von Amenophis III., in der Wüste von Theben-West gelegen, und waren ursprünglich Teil der Dekoration eines Fußbodens. Die verselbständigte Landschaftsdarstellung ohne Eingriff des Menschen ist ein neues Motiv in der Kunst, die genrehaft die Vielfalt und Lebendigkeit der Natur ins Innere des Wohnbereichs holt und so auch einen Gegenentwurf zum eher lebensfeindlichen direkten Umfeld entwirft.

Wenige Jahre später in der Amarnazeit wird dieses Thema eine wichtige Rolle im bildlichen Lobpreis des Wirkens des Sonnengottes spielen und sich in zahlreichen Tier- und Pflanzendarstellungen auf den Wänden der Tempel für den Gott Aton finden. Im Sonnengesang des Echnaton hat diese Vorstellung ihre religiös-literarische Formulierung gefunden. Im Palast der neuen Hauptstadt Amarna hat Echnaton dann vergleichbare Naturdarstellungen für die Dekoration von Fußböden realisieren lassen, die in ihrer Diesseitsbezogenheit noch einen Schritt weiter gehen und das Motiv der „Momentaufnahme“ – aufflatternde Enten, springende Kälbchen, im Wind wehende Gräser – hinzufügen.

Und so ist es vielleicht nicht einmal allzu romanhaft, sich vorzustellen, dass Echnaton als Kind über die Böden mit Tieren und Pflanzen im väterlichen Palast gelaufen ist und ihm diese Bilder so vertraut wurden, dass er sie nach dem Verlassen von Theben und dem Umzug nach Mittelägypten im neuen Domizil nicht missen wollte…

Malerei auf Stuck
Malqata, Palast Amenophis III. (Theben-West)
Gl. 74
(ausgestellt im Raum „Kunst und Zeit”)