01.07.2021

Jenseitsgaben

© SMÄK

Modell einer Ente

Die kleine Figur zeigt eine Ente (oder Gans) in stark abstrahierter Form. Auch wenn das Tier durch die großen Augen sehr lebendig wirkt, handelt es sich um einen getöteten Vogel: Flügel und Beine sind abgehackt und jeweils nur noch in annähernd gleichgroßen Stummeln vorhanden, die Federn sind ausgerupft – es ist sozusagen zum Braten vorbereitet. Kopf und lang ausgestreckter Hals sind mittig auf den Rücken gelegt. Der Leib zeigt eine gelbliche Bemalung, der Schnabel ist rot und die Augen schwarz, wobei die ursprünglich wohl kräftigen Farben heute verblasst sind.

Geflügel – vor allem Enten und Gänse, aber auch Kraniche und Tauben – gehörten zu den Grundnahrungsmitteln im alten Ägypten und finden sich als Speiseopfer in vergleichbarer Darstellung auf nahezu jedem Opfertisch in den Wandbildern der Gräber und auch Tempel. Vor allem in den Reliefs des Alten Reiches werden sowohl der Fang der Vögel mit Hilfe eines Schlagnetzes als auch ihre Haltung in Geflügelhöfen ausführlich dargestellt. Die Bandbreite reicht dabei von einer offenen Haustierhaltung bis zu einer intensiven Mastgeflügelzucht in Käfigen, auch das Stopfen der Vögel war weit verbreitet.

Durch eine differenzierte farbliche Wiedergabe vor allem der Federn lassen sich verschiedene Arten unterscheiden, etwa die Stockente, die Löffelente, die Weißkopfente, die Spießente oder die Graugans, die Nilgans und die Blässgans. Auch in den Beischriften tauchen unterschiedliche Bezeichnungen auf. Fehlen beide wie bei dieser Figur, ist eine genauere Benennung nicht möglich.

Als unverzichtbarer Bestandteil der Ernährung gehören Enten und Gänse auch zu den Grabbeigaben. Real wurden sie gebraten oder mumifiziert in Gefäßen aus Ton, seltener aus Stein, ins Grab mitgegeben. Auch die Darstellungen auf den Speisetischen in den Wandreliefs und Wandmalereien garantierten die Versorgung der Verstorbenen. Darüber hinaus wurde diese aber auch durch Modelle in Ton, Holz oder Stein sichergestellt.

So wurden die Wandbilder vor allem im Alten Reich durch sogenannte Dienerfiguren aus Stein ergänzt. Dies sind sehr qualitätvolle kleine Skulpturen, die einzelne Tätigkeiten zeigen, die oft in Verbindung mit der Herstellung von Nahrungsmitteln stehen, etwa die Bierbrauerin, der Kornmahler oder der Bäcker Im Mittleren Reich ergänzten vielfigurige Gruppen aus Holz, auf ein gemeinsames Brett montiert, die Darstellungen an den Wänden: Bäckerei und Brauerei, Viehzucht und Schlachtung, Holzwerkstatt und Weberei, dazu Kornspeicher und Häuser – diese Modelle liefern viele Informationen zum Alltagsleben. Zum Kontext dieser Modelle gehören auch einzelne Tiere wie geschlachtete Rinder und Geflügel, Brote und Pflanzen, die wohl auf einen Opfertisch im Grab gelegt wurden.

Die kleine Skulptur aus Kalkstein bildet sozusagen die Schnittstelle zwischen den Dienerfiguren des Alten Reiches und den Modellfiguren des Mittleren Reiches: In Bezug auf Material, Größe und Qualität zählt sie zu den ersteren; ihre Form liefert das Vorbild für entsprechende spätere Modelle en miniature.

Kalkstein, bemalt
L. 25 cm, H. 13 cm, Br. 13 cm
Altes Reich, 5. Dynastie, um 2400 v. Chr.
ÄS 7213
(ausgestellt im Raum „Jenseitsglaube“)