01.09.2022

Jenseitsdiener

Frontalansicht eines Uschebtiköpfchen des Echnaton aus hellbraunem Stein© SMÄK, Marianne Franke

Das Köpfchen ist in Höhe des Halses vom Körper gebrochen, in der Seitansicht lässt sich der Schulteransatz erahnen. Die Uräusschlange an der Stirn weist die Figur als königlich aus. Am Kinn setzt ein – künstlicher – Bart an. Die Haartracht, eine glatt auf die Schultern fallende Strähnenperücke, ermöglich die Ergänzung der Statuette und die Identifizierung des Typs: Es handelt sich um ein mumiengestaltiges Uschebti. Diese kleinen Figuren waren seit dem Mittleren Reich unverzichtbarer Bestandteil der Grabausstattung geworden. Zunächst als Stellvertreter, dann als Diener des Verstorbenen sollten sie im Jenseits an seiner Stelle anfallende Arbeiten – vor allem in der Landwirtschaft – erledigen.

Die Details des Gesichtes – Form und Stellung der Augen, breite, fleischige Nasenflügel und vor allem die herabgezogenen und so leicht mürrisch wirkenden Mundwinkel – sind typisch für Echnaton gerade in seiner Darstellung in den Uschebtis. Die leicht verwaschenen Gesichtszüge ergeben sich aus dem unfertigen Zustand des Stückes.

Die Uschebtis des Echnaton waren aus Kalkstein, Granit, Quarzit, Kalzit, Sandstein und Fayence gefertigt. Statt der sonst üblichen landwirtschaftlichen Geräte – verschiedene Hacken und Körbchen für Saatgut – halten sie Krummstab und Wedel, die königlichen Insignien, in den Händen, seltener auch Anch-(Lebens-)Zeichen. Als Kopfbedeckung sind das Königskopftuch und die in dieser Zeit beliebte Chat-Haube belegt, ebenso die Strähnenperücke. Als Beschriftung erscheinen Name und Titulatur des Königs, nicht der sonst übliche Spruch aus dem Totenbuch.

Die Uschebtis des Echnaton stammen aus dem Königsgrab in Amarna, viele von ihnen sind unvollendet geblieben und wohl schon in der Antike zerbrochen – nicht ein einziges Stück ist vollständig erhalten. Erstmalig wurde das Grab 1891 archäologisch untersucht, schon damals war es ausgeraubt und die meisten Uschebtis verschwunden. Mehr als 200 Fragmente sind heute in öffentlichen und privaten Sammlungen über die ganze Welt verstreut.

Seitansicht eines Uschebtiköpfchen des Echnaton aus hellbraunem Stein© SMÄK, Marianne Franke

Die monotheistische Religion des Echnaton – anstelle der sonstigen Göttervielfalt gibt es nur noch die lebensspende Sonne Aton, deren Prophet und einziger Priester der König ist – hat auch den Jenseitsglauben und damit die Dekoration und Ausstattung der Gräber verändert. So bewacht etwa Nofretete an den vier Ecken seines Sarkophages statt der geflügelten Schutzgöttinnen Isis, Nephthys, Selket und Neith ihren Ehemann für die Ewigkeit. In den Gräbern der hohen Beamten überwiegen Darstellungen von Tempel, Palast und der königlichen Familie. Uschebtis scheint es auch nicht mehr gegeben zu haben – außer im Königsgrab. Wollte Echnaton doch gut gerüstet sein für das Jenseits?

Ein königliches Uschebti der Amarnazeit war bis vor kurzem in der Münchner Sammlung nicht vorhanden. Daher hat diese Neuerwerbung aus dem Jahr 2020 ihren Platz auch nicht in der (ansonsten üppig bestückten) Uschebti-Vitrine im Raum „Jenseitsglaube“ gefunden, sondern mittig im Raum „Kunst und Zeit“, gegenüber der Wand mit den Reliefs aus der Amarnazeit und dem Fragment der Kolossalstatue des Echnaton.

Sandstein
H. 5,3 cm, Br. 4,6 cm, T. 4,8 cm
Neues Reich, 18. Dynastie, um 1340 v. Chr.
München ÄS 8051
(Ausgestellt im Raum „Kunst und Zeit“)