01.09.2021

Flusslandschaften

Ein Stück Elfenbein mit geschnitzten Enten und Pflanzen© SMÄK, Marianne Franke

Zierleiste

Enten und Lotospflanzen – mehr braucht es nicht, um die Assoziation zur Flusslandschaft des Nil und damit zu Ägypten herzustellen. Die kleine Beinschnitzerei zeigt zwei gegenständige schnatternde Enten, umgeben von Pflanzen des Roten Lotos Nelumbo nucifera, kenntlich an dem siebartigen Fruchtstand mit den großen Löchern. Er wird auch als Indischer Lotos bezeichnet und wird erst in der Spätzeit (ab ca. 660 v. Chr.) in Ägypten heimisch. Zuvor waren schon zwei Arten der Teichrose bekannt, der Blaue Lotos (Nymphera coerula) und der Weiße Lotos (Nymphea lotus). Der Lotos ist immer als Hinweis auf Wasser, spezieller auf den Nil und damit auf Ägypten zu verstehen.

In der Seeschlacht von Actium im Jahr 31 v. Chr. unterliegt zwar Kleopatra Octavian, dem späteren Augustus, und Ägypten wird zur Provinz des Römischen Reiches. Doch in der Folge beginnt ein Siegeszug altägyptischer Traditionen bis an die Grenzen des Imperiums, ein Triumph der ägyptischen Götter, allen voran der zur Universalgöttin gewordenen Isis und ihres Kultgenossen Serapis. Beginnend in den Hafenstädten, entstehen an vielen Orten zahlreiche Heiligtümer für den Kult ägyptischer Götter, die mit ägyptischen Denkmälern und ägyptisierenden Darstellungen ausgestattet werden. Dabei wird die Nillandschaft zu einem gängigen Motiv der römischen Kunst, ausgeführt vor allem als Mosaik. Rund 130 Nilmosaike sind bekannt, verteilt über das gesamte Imperium. Das bekannteste stammt aus dem Tempel der Fortuna (Isis) in Praeneste bei Rom.

Eine in ein Stück Elfenbein geschnitzte Ente© SMÄK, Marianne Franke

Zur ausführlicheren Darstellung der Flusslandschaft gehören neben dem Roten Lotos und der Ente auch der Ibis sowie Nilpferd und Krokodil. Hinzu kommen Pygmäen, oft im Kampf mit den letztgenannten Tieren gezeigt. Selten werden auch Elefant und Giraffe, Schlange und Ichneumon dargestellt, hinzu kommen Fabeltiere. Diese unterstreichen zusammen mit den in grotesken Posen wiedergegebenen Pygmäen die Exotik eines zunehmend idealisierten Landes. Vereinzelt finden sich auch Darstellungen ägyptischer Tempel sowie von Laub- und Rundhütten.

Neben den Nilmosaiken entstehen entsprechende Darstellungen auch in der Malerei zur Dekoration von Wänden in Häusern (etwa in Pompeji) und Gräbern (z.B. in der römischen Nekropole unter dem Petersdom in Rom). Schließlich werden auch kleine Reliefs in Terrakotta gefertigt, die als Dekoration an die Wand gehängt wurden und einzelne der genannten Motive zusammenstellen. Wird man zunächst noch davon ausgehen, dass diese Thematik in Häusern und Gräbern auf Anhänger des Kultes ägyptischer Götter, allen voran Isis, verweist, werden diese Motive allmählich Bestandteil einer sich ausbreitenden Ägyptenmode.

Kleine Schnitzereien mit floralen und figürlichen Darstellungen, überwiegend in der Tradition der klassischen Antike, später dann auch mit christlichen Darstellungen, sind in großer Zahl aus Ägypten überliefert und werden aufgrund des häufigsten Fundortes meist als „Alexandrinische Elfenbeine“ bezeichnet. Sie wurden zur Verzierung von Kisten und Kästchen und von verschiedenen Möbeln aus Holz als Einlagen verwendet, später auch für Reliquienschreine und Buchdeckel.

Beinschnitzerei mit Farbresten
H. 3,9 cm, Br. 12 cm
Spätantike, 5. Jahrhundert n. Chr.
Inventarnummer ÄS 3900
(Ausgestellt im Raum „Nach den Pharaonen“)