01.07.2005

Ein Glücksfall für München

Es ist schwierig geworden mit Neuerwerbungen – was man möchte, bekommt man nicht, und was man bekommt, möchte man nicht. Der Markt ist leer gekauft.

Die von den Museen respektierten UNESCO – und Unidroit-Empfehlungen werden zunehmend auch vom Kunsthandel anerkannt, und so heißt es abwarten, bis ein Objekt von musealer Qualität und mit guter Provenienz angeboten wird.

Es gibt sie noch, diese Glücksfülle – so geschehen im Frühjahr, als der englische Kunsthandel den Porträtkopf eines jungen Mannes aus der Amarna-Zeit anbot. Nun ist Privatplastik aus dieser Epoche etwas höchst Außergewöhnliches, viel mehr als die Stele des Bak und die Würfelstatue des Imenemipet (beide Berlin) ist nicht bekannt, sieht man von den Stuckmasken von nichtköniglichen Personen als Sondergruppe ab. Doch die Gesichtszüge des halb lebensgroßen Kopfes, im Ansatz der Schultern abgebrochen, lassen keine andere Datierung zu: Charakteristisch und den Ausdruck des Gesichtes bestimmend sind die sogenannten ‚Sfumato‘- Augen, deren verschleierter Blick Verinnerlichung und Konzentration erzeugt. Ebenso typisch sind die üppigen, fast aufgeworfenen Lippen, die, von einem klaren Grat begrenzt, sich leicht zu öffnen scheinen. Augen und Lippen haben ihre engsten Parallelen in den Quarzitbildnissen der Königinnen und Prinzessinnen in Amarna.

Der neue Münchner Porträtkopf jedoch zeigt einen jungen Mann, wie aus dem Ansatz des heute weggebrochenen Bartes unterhalb des Kinns zu erkennen ist. Die Form der Haartracht ist die seit der Amenophis-III-Zeit belegte Strähnenperücke, bei der die einzelnen Strähnen durch vertikal geführte Linien eingraviert sind, während die horizontale Wellung des Haares plastisch ausgeführt wird. Der daraus entstehenden Unruhe sind die großen, flüchigen Formen des Gesichtes entgegengesetzt – aus diesem Gegensatz von Nervosität und Konzentration ergibt sich die Spannung des Porträts.

Sie wird wenig später auch ein Charakteristikum der Kunst der Nachamarna-Zeit sein und sich in den Reliefs der Privatgräber in Memphis finden. Dort könnte der Porträtkopf des jungen Mannes ursprünglich auch entstanden sein: Sein Material, Basalt, ist bislang in der Plastik aus Amarna selbst nicht belegt; dort verwendete man den ‚Sonnenstein‘ Quarzit, Kalkstein und vereinzelt Granit. Aus Memphis bzw. Unterägypten kommen auch herausragende Beispiele der ausdrucksstarken Privatplastik der Nachamarna-Zeit, die Schreiberstatue des Haremhab (New York) und der Schwarze Kopf in München. Daraus ergibt sich für die Datierung des neuerworbenen Kopfes ein Ansatz in die letzten Regierungsjahre des Echnaton, um 1340 v. Chr.

Dieser Porträtkopf könnte geradezu als ‚missing link‘ zwischen der Königsplastik von Amarna und der Privatplastik der Folgezeit angesprochen werden. Die Entwicklung der Königsplastik geht einen anderen, konventionelleren Weg. Der Porträtkopf konnte aus Mitteln des Freundeskreises und dank großzügiger Spenden erworben werden. Er wurde bereits bei der Mitgliederversammlung vorgestellt und wird demnächst seinen Platz im Museum finden – im Blickkontakt zu Echnaton.

Portraitkopf
Portraitkopf