15.07.2001

Die dritte Kanope

Die Rückkehr des verlorenen Schatzes

Mehr als 55 Jahre nach Kriegsende tauchte im vergangenen Herbst ein verloren geglaubtes altägyptisches Original aus den Beständen des Staatlichen Museums Ägyptischer Kunst München wieder auf. Es handelt sich dabei um eine Kanope, einen Eingeweidekrug mit Deckel in Gestalt eines Falkenkopfes.

Das Stück war zusammen mit drei weiteren Kanopen, die zu den Grabbeigaben eines Priesters namens Iripeki gehört hatten und um 300 v.Chr. entstanden waren, bereits 1823 vom bayerischen König Ludwig I. für seinen „Aegyptischen Saal“ in der Münchner Glyptothek erworben worden. Dort stand das Objekt dann bis 1939, als es aus Sicherheitsgründen gemeinsam mit anderen Denkmälern in ein Kellerdepot am Königsplatz ausgelagert wurde. 1945, kurz nach Kriegsende, waren Diebe dreist mit dem Lastwagen vorgefahren und hatten die Kanopen zusammen mit anderen Antiken entwendet.

Nur wenige hundert Meter entfernt tauchten einige Objekte Jahre später in der Seidl-Straße beim Bau einer Tankstelle nach Abriß eines Hauses wieder auf. Der Eigentümer des Grundstückes betrachtete sich als rechtmäßiger Besitzer der auf seinem Stück gefundenen altägyptischen Objekte. Erst 1969 konnten zwei der Kanopen wieder zurückgewonnen werden. Seit Eröffnung der Dauerausstellung in der Münchner Residenz im Jahr 1972 waren sie dort der Öffentlichkeit zugänglich.

Im November des vergangenen Jahres hatte sich, auf Empfehlung eines Münchner Auktionshauses, eine Dame zur Begutachtung einer „Aschenurne mit Deckel“ in der Museumsverwaltung eingefunden. Und was dann auf einem Tisch in der Meiserstraße stand, konnte rasch als die dritte Kanope mit dem Falkenkopf des Gottes Duamutef identifiziert werden. Nach kurzer Rücksprache mit ihrem Ehemann – die Familie hatte mit dem Diebstahl nichts zu tun und das fragliche Stück schon vor langen Jahren geerbt – erklärte sich die Dame spontan bereit, die Kanope ohne Gegenleistung dem Museum zurückzugeben. Im Rahmen der Mitgliederversammlung des Freundeskreises des Ägyptischen Museums Ende Juli wurde nun diese Kanope wieder in die Dauerausstellung integriert. Vielleicht findet sich durch einen ähnlich glücklichen Zufall auch noch die letzte fehlende, die vierte Kanope ein!

Anzumerken bleibt noch, dass die jetzt wiedergewonnene Kanope im Haushalt des großzügigen Ehepaares einem sehr andersgearteten Zwecke diente, nämlich als vor den Kindern sicherer Aufbewahrungsort von – Bonbons! Vom altägyptischen Eingeweidegefäß zur Bonbonniere – eine höchst ungewöhnliche „Karriere“. Und der falkenköpfige Gott Duamutef hat als Beschützer des Magens seine Aufgabe offensichtlich trotz der leicht veränderten Zweckbestimmung getreu erfüllt…