31.10.2024
Zur aktuellen Situation im Sudan
Bürgerkrieg und humanitäre Katastrophe
Der Bürgerkrieg im Sudan dauert an. Seit April 2023 kämpfen die sudanesische Armee unter Abdel Fattah al-Burhan und die paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) unter der Führung von Mohammed “Hemedti” Hamdan Daglo um die Vorherrschaft im Land. Auslöser waren Konflikte um den Übergang zu einer zivilen Regierung. Laut UN handelt es sich um die derzeit schlimmste Vertreibungskrise weltweit: 12 Millionen Menschen sind auf der Flucht, mindestens 15.000 wurden bisher getötet, 26 Millionen, also mehr als die Hälfte der Gesamtbevölkerung sind dringend auf Hilfe angewiesen, 18 Millionen leiden an Hunger. Human Rights Watch wirft den Kriegsparteien zudem weit verbreitete sexualisierte Gewalt vor und berichtet von häufigen Vergewaltigungen und Misshandlungen. Hinzu kommen die Rekrutierung von Kindersoldaten und die gezielte Tötung von Zivilisten.
Die sudanesische Gesellschaft zerfällt, die Infrastuktur des Landes ist es bereits: Es fehlt an Grundversorgung, selbst Hilfslieferungen mit Lebensmitteln werden gezielt blockiert, damit sie nicht in die vom jeweiligen Rivalen kontrollierten Gebiete gelangen. Es fehlt an funktionierenden Gesundheitseinrichtungen und Krankenhäusern. Internationale Bemühungen um eine Waffenruhe und humanitäre Hilfe werden durch externe Akteure behindert, die weiterhin Materiallieferungen an die Konfliktparteien leisten. Die Vereinten Nationen und andere internationale Organisationen warnen vor einer Hungersnot und fordern dringend verstärkte Anstrengungen, um den Konflikt zu beenden und den Zugang zu humanitärer Hilfe zu gewährleisten.
Im Sommer 2024 keimte etwas Hoffnung auf, als unter anderem die USA die Kontrahenten zu Friedensgesprächen einluden. Die Verhandlungen in der Schweiz endeten jedoch ergebnislos. Die Situation im Sudan zeigt keine Anzeichen einer baldigen Besserung, und die internationale Gemeinschaft steht vor der Herausforderung, eine drohende humanitäre Katastrophe abzuwenden. Stattdessen kam es Ende August zu schweren Unwettern, die zu einem Dammbruch bei Port Sudan führten, weitere Todesopfer forderten und landesweit weitere 100.000 Menschen obdachlos machten.
In den deutschen Medien spielt die Situation im Sudan angesichts der vielen Krisen, die uns vermeintlich stärker betreffen, allenfalls eine untergeordnete Rolle. Dabei ist es wichtig, einen Blick auf die Unterstützer des Krieges zu werfen, die die Sicherheitslage auch hier in Europa beeinflussen könnten. Der Sudan beschuldigt die Vereinigten Arabischen Emiraten, die RSF-Milizen mit Waffen auszustatten. Die Vereinigten Arabischen Emirate bestreiten dies. Unabhängige Berichte und Presseartikel belegen jedoch genau dies und weisen zudem darauf hin, dass auch Saudi-Arabien und Russland Waffen in den Sudan liefern. Die sudanesischen Milizen bezahlen dafür mit Gold aus den von ihnen kontrollierten Minen und sind damit eine Einnahmequelle für das durch westliche Sanktionen eingeschränkte Russland, das offenbar auch über private Militärunternehmen wie die Wagner-Gruppe in den Konflikt eingreift. Insgesamt tragen diese Länder durch direkte und indirekte Unterstützung zur Verlängerung des Konflikts bei, indem sie den Kriegsparteien den Zugang zu Waffen und Ressourcen ermöglichen.
Die UN-Mission im Sudan hat dem Ganzen indessen kaum etwas entgegenzusetzen. Die United Nations Integrated Transition Assistance Mission in Sudan (UNITAMS) wurde auf Ersuchen der sudanesischen Regierung eingerichtet, um den politischen Übergang des Landes zu innerem Frieden und demokratischer Regierungsführung zu unterstützen. Die Mission war nicht in der Lage, ihr Mandat zu Ende zu führen, sondern erlebte den Übergang zu einem anhaltenden Krieg zwischen den beiden militärischen Kontrahenten. Die Untersuchung „Sudan’s Transition to War and the Limits of the UN’s Good Offices“ von Volker Perthes, ehemaliger UN-Sondergesandter für den Sudan, veröffentlicht im Oktober 2024 von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), analysiert die Rolle der UN-Mission UNITAMS (online auf der Homepage der Stiftung Wissenschaft und Politik unter: https://www.swp-berlin.org/10.18449/2024RP14/ ) Danach lässt sich die Arbeit von UNITAMS in drei Phasen unterteilen: die zivil-militärische Partnerschaft bis zum Militärputsch im Oktober 2021, die zunehmende Spaltung der Militärregierung bis zum Kriegsausbruch im April 2023 und die ersten Monate des Krieges bis zur Auflösung der Mission im Februar 2024. In all diesen Phasen versuchte die Mission, den politischen Dialog zwischen den Konfliktparteien zu fördern, konnte aber letztlich den Krieg aber nicht verhindern.
Ein Hauptthema des Papiers ist die sogenannte „Good Offices“-Funktion von UNITAMS, also ihre Rolle als Vermittler und Unterstützer von Verhandlungen und Dialogen. Trotz einiger Erfolge bei der Einbindung verschiedener Akteure und der Zusammenarbeit mit regionalen Partnern wie der Afrikanischen Union (AU) und der Intergovernmental Authority on Development (IGAD) konnte die Mission den Konflikt letztlich nicht entschärfen. Die Lehren, die aus der UNITAMS-Erfahrung so die Studie von Volker Perthes bestünden vor allem darin, die Stärke von Akteuren nicht zu unterschätzen, die ihre Machtposition bedroht sehen und deshalb gegen den Übergangsprozess arbeiten. Entscheidend sei die internationale Unterstützung für politische Missionen, insbesondere die Geschlossenheit des UN-Sicherheitsrates. Zudem müsse die internationale Gemeinschaft besser verstehen, dass selbst gut konzipierte Friedensprozesse durch militärische Machtambitionen zunichte gemacht werden können. Volker Perthes’ Artikel bietet eine fundierte Analyse der Ereignisse, die zum Krieg im Sudan geführt haben, sowie der Grenzen internationaler Vermittlungsbemühungen und beleuchtet die komplexen Herausforderungen, denen sich die UN und andere internationale Akteure bei der Friedensförderung in fragilen Übergangssituationen gegenübersehen.
Zu der humanitären Katastrophe und dem Unvermögen der Vereinten Nationen, den Sudan zu befrieden, kommt für uns die Sorge um das kulturelle Erbe des Sudan hinzu. Über die Situation in Naga, der Ausgrabungsstätte des Staatlichen Museums Ägyptischer Kunst, liegen uns keine aktuellen und verlässlichen Informationen vor. Die sudanesische Antikenbehörde (National Corporation for Antiquities and Museums – NCAM), deren Mitarbeitende selbst zum größten Teil auf der Flucht sind und das Land, soweit möglich, verlassen haben, sowie Presseberichte schildern die Plünderung des Nationalmuseums in Khartum sowie zahlreicher weiterer Museen und archäologischer Stätten durch Truppen der RSF. Die aus dem Nationalmuseum geraubten Antiquitäten sollen über die Grenze in den Südsudan geschmuggelt worden sein. Es wird befürchtet, dass die Antiken vor allem illegal ins Ausland verkauft werden. Die internationale Gemeinschaft muss ihre Bemühungen koordinieren, um den illegalen Handel mit gestohlenen sudanesischen Antiquitäten zu verfolgen und nach Möglichkeit zu unterbinden sowie die geraubten Antiken und andere Kulturgüter zurückzuerlangen.
Wir hoffen weiterhin auf Frieden und sind in Gedanken bei unseren Mitarbeitenden, Kooperationspartnern und Freunden vor Ort und bei der sudanesischen Bevölkerung. Das Ägyptische Museum kann keine Hilfsleistungen für den Sudan koordinieren. Mehrere Hilfsorganisationen aber, darunter z.B. „Bündnis Entwicklung Hilft“ und „Aktion Deutschland Hilft“, rufen gemeinsam zu Spenden auf: https://www.spendenkonto-nothilfe.de/