10.02.2024

Verkehrte Welt

Kalksteinscherbe mit Bemalung eines Affen und eines Nubiers© SMÄK

Der Affe spielt die Musik, und der nubische Soldat tanzt dazu: Die Szene zeigt eine „verkehrte Welt“, wie sie häufiger auf Ostraka und als Graffiti, selten auch auf Papyri zu finden sind. Scherben aus Ton (griechisch Ostraka) oder Kalksteinsplitter wurden von Künstlern für Entwurfsskizzen von Reliefs oder Malereien verwendet, aber auch für Motive, die keinen Eingang gefunden haben in die offizielle Kunst der Tempel mit ihren religiösen Darstellungen oder die Gräber mit den Schilderungen des Jenseits.

Das Nilpferd im Baum, die Katze, die eine Mäusedame frisiert, der Katz-Mäusekrieg mit einem Mäuserich als Pharao auf dem Streitwagen – die erhaltenen Szenen lassen erahnen, dass es ursprünglich ein breites Spektrum von Motiven gab, die ihren Platz in der nicht erhaltenen Dekoration profaner Gebäude – Wohnhäuser, Kasernen, Arbeitersiedlungen – gehabt haben mögen und die sich, aus Ziegeln erbaut, nur zu einem kleinen Teil erhalten haben. Spott und Satire, Komik und Karikatur, und damit zuweilen sogar Kritik an gesellschaftlichen Strukturen und Herrschaftsverhältnissen lassen sich hier greifen, für die in der offiziellen Kunst selten Platz gewesen ist.

Das Ostrakon zeigt einen aufrecht stehenden Affen, der durch Gürtel und Halsband mit Schleife als Haustier gekennzeichnet ist: Die Meerkatze, aus dem südlichen Nubien stammend, wurde als Haustier in vornehmen ägyptischen Haushalten gehalten. Hier spielt der Affe ein Blasinstrument, die Oboe, und ihm gegenüber tanzt ein dunkelhäutiger Mann mit weit ausgebreiteten Armen. Das kurze Kraushaar mit der in die Locken gesteckten Feder ist charakteristisch für die Darstellung des Südländers, des Nubiers. Das spitze Mittelstück des Schurzes weist ihn zudem als Angehörigen des Militärs, als Offizier, aus.

Der Tanz wird in Ägypten weitgehend von Frauen ausgeübt, die Wiedergabe von Emotionen war auf Klageweiber, Diener und unterworfene Feinde beschränkt. Hier nun tanzt ein Mann, ein höhergestellter Soldat dazu in wilden Bewegungen zur Musik – eines Affen! Das ist nicht nur der – auch sonst anzutreffende – Spott über eine als unterlegen empfundene Gruppe der Bevölkerung, nicht nur eine karikierende Darstellung des Nubiers, sondern darüber hinaus auch Kritik am Militär und seinen Vertretern, die auch in anderen Szenen der Darstellungen der „verkehrten Welt“ vor allem in der Ramessidenzeit zu finden ist, etwa in dem Turiner Papyrus, der neben dem Katz-Mäusekrieg auch erotische Darstellungen zeigt.

Das Thema der „verkehrten Welt“ ist über die Jahrtausende hinweg in vielen Kulturen aufgegriffen worden und damit bis heute aktuell – auch im Fasching oder Karneval.

Kalkstein
Aus der Sammlung v. Bissing
H. 14 cm, Br. 21,5 cm
Neues Reich, 19./20. Dynastie, 1300-1100 v. Chr.
ÄS 1540
(Ausgestellt im Raum „Nubien und Sudan“)