01.07.2024
Symbol der Sonne
Ein Kupfer-Spiegel
Eine vielfältige Symbolik ist in dem schlichten Gebrauchsgegenstand eingefangen: Das Wort für die Spiegelscheibe, jten, ist gleichzeitig die Bezeichnung für die Sonnenscheibe; sie entspricht in ihrer fast unmerklich abgeflachten, leicht ovalen Form der Darstellung der Sonne im ägyptischen Flachbild. Der Griff zeigt die Gestalt eines Papyrusstängels, auf dem die Dolde sitzt; ihre Kelchblätter sind eingeritzt. Das Schriftzeichen in Form eines Papyrusstängels hat die Bedeutung „jung, frisch“: Der Mensch, der in den Spiegel blickt, möchte sich in seinem verjüngten Abbild erblicken.
Ein weiteres Wort für Spiegel ist anch, was gleichzeitig auch „Leben“ bedeutet: So ist der Spiegel nicht nur ein Gebrauchsgegenstand, sondern verkörpert gleichzeitig die Hoffnung des Menschen auf Jugend und Frische im Diesseits, auf Wiedergeburt und Regeneration im Jenseits. Spiegel sind als Grabbeigabe sowohl von Frauen wie auch von Männern seit der Frühzeit belegt und galten seit dem Mittleren Reich als Statussymbol vornehmer Frauen.
In den Darstellungen auf Stelen und Grabwänden wird der Spiegel entweder von der Frau in Händen gehalten, oder er liegt unter ihrem Stuhl, wo sonst die Katze als Lieblingstier sitzt. Ebenso wird gezeigt, wie der Spiegel von Dienerinnen zum Betrachten des Gesichtes herbeigebracht wird.
Neben Spiegeln aus Kupfer und Bronze sind auch solche aus Silber belegt, wobei Bronzespiegel auch Spuren einer Beschichtung mit Gold und Silber aufweisen. Wie aus Texten hervorgeht, muss es auch Exemplare aus Gold gegeben haben. Der Spiegel besteht üblicherweise aus zwei Teilen, einer polierten Metallplatte mit einem kurzen Dorn, der in einen Griff aus Metall, Holz, Elfenbein oder Fayence eingepasst und mit einer Niete befestigt ist.
Neben seiner Verwendung im Alltagsleben und als Grabbeigabe weist der Spiegel auch eine Beziehung zum Kosmos auf und spielte bei verschiedenen Ritualen im Tempel eine Rolle. Der Spiegelgriff in Form einer Papyruspflanze steht für den Bereich des Lebens, über der sich der Himmel, vertreten durch die Sonne, wölbt. In übertragenem Sinn werden damit der irdische mit dem kosmischen Bereich verknüpft, werden Alltag und göttliche Sphäre miteinander verbunden.
Daher findet sich auch das Gesicht der Himmelsgöttin Hathor öfters rundplastisch in den Spiegelgriff integriert; und schon im Alten Reich zeigt eine Darstellung im Grab des Mereruka einen Spiegeltanz zu Ehren der Göttin. In der Spätzeit gibt es dann eine Glaubensgemeinschaft der „Dienerinnen der Mut“, die den Kult dieser thebanischen Gottheit in Memphis pflegen. Eine wichtige Rolle spielte dabei die Weihung von Spiegeln an Mut durch diese Priesterinnen, ein Ritual, das mehrfach auf Stelen und auf Votivspiegeln abgebildet ist. In den Reliefs der Tempel der griechisch-römischen Zeit schließlich lässt sich ein umfangreiches Spiegel-Ritual beobachten, in dem der König stets zwei Spiegel an eine weibliche Gottheit – Isis oder Hathor – überreicht: Die Spiegel symbolisieren Sonne und Mond und repräsentieren den Sieg der Gestirne über die Finsternis, über die feindlichen Mächte.
Kupfer
L. 29 cm, Durchmesser Scheibe 17 cm
Mittleres Reich bis 2. Zwischenzeit, 2000-1550 v. Chr.
Inv. Nr. ÄS 4242
(ausgestellt im Raum „Kunst-Handwerk)