03.06.2024

Sonne Ägyptens

Oberteil einer Sitzfigur des Königs Ramses II.

Statuenoberteil Ramses II.© SMÄK, Marianne Franke

Beim genauen Hinschauen lässt sich der Typ der knapp unterhalb der Taille gebrochenen Statue exakt bestimmen: An der (vom Betrachter aus gesehen) rechten Seite ist direkt neben dem Gürtel noch ein kleines, nach vorne ausgerichtetes Fragment erhalten, bei dem es sich um den letzten Rest des Unterarmes handelt. Dieser lag eng am Körper an und war dann waagerecht nach vorne ausgestreckt und auf den Oberschenkel gelegt. Es handelt sich also um eine Sitzfigur, neben der Stand-Schreitfigur der gängigste Statuentyp überhaupt.

Die andere, rechte Hand liegt zur Faust geballt mittig vor der Brust und hält Krummstab und Wedel, die Herrschaftsinsignien des Königs. Weitere königliche Attribute sind der künstliche Bart, der bei bestimmten Anlässen getragen wurde, sowie das gestreifte Königskpftuch. Und wieder zeigt der genaue Blick weitere Details: Am Original sind noch die heute verblassten Farben gelb und blau zu erkennen, mit denen die Streifen abwechselnd bemalt waren, sie stehen für Gold und Lapislazuli. Oberhalb der Stirn fehlt heute die eingesetzte Uräusschlange, eine aufgerichtete Kobra, die als gefährliche Gottheit den König beschützte.

Zwei senkrechte Inschriftzeilen auf dem Rückenpfeiler der Statue identifizieren den dargestellten Herrscher als Ramses, dem die Ägyptologen den Beinamen „der Große“ gegeben haben. In der altägyptischen Zählung war er der zweite in einer Reihe von elf Königen dieses Namens in der 19. und 20. Dynastie. Die Zeichen sind gegenständig angeordnet, beide Zeilen sind identisch und enthalten die beiden von Kartuschen umgebenen Namen als wichtigstem Teil der insgesamt fünfteiligen Titulatur des Königs, nämlich seinen Geburts- und seinen Thronnamen.

Obwohl der Fundort der Statue nicht bekannt ist, kann ihre Herkunft erschlossen werden. Das Material ist ein grober Sandstein, der in Nubien vorherrscht, dem südlich Ägyptens gelegene Land. Der Stil der Figur ist mit seinen plumpen Proportionen und dem flachen Gesicht typisch für die provinziellen Werkstätten südlich außerhalb der eigentlichen Grenzen Ägyptens. Ramses II. errichtete in diesem Grenzgebiet zu Afrika mehrere große Tempel (Abu Simbel ist der größte und bekannteste), in denen er sich als Gott darstellen ließ. Statt der Königskrone ist ihm in vielen Reliefbildern die Sonnenscheibe auf das Haupt gesetzt. Auch diese Statue trug auf dem oben abgeflachten Königskopftuch eine Sonnenscheibe, vermutlich war sie aus Metall gefertigt. Sie konnte von hinten in eine Vertiefung am oberen Ende des Rückenpfeilers geschoben werden. Die Sonnenscheibe verlieh dem König göttliche Qualitäten.

Rückseite des Oberteils der Statue Ramses' II.© SMÄK, Marianne Franke

Sandstein
H. 68 cm, Br. 48,2 cm, T. 37,8 cm
Vermutlich aus Nubien
Neues Reich, 19. Dynastie, um 1250 v. Chr.
Gl.89
(Ausgestellt im Raum „Pharao“)