11.01.2024

Situation im Sudan und Auswirkungen auf das Naga-Projekt

Blick vom Gebel Naga in die Steppe, am Horizont geht die Sonne auf.© Naga Projekt

Im Sudan kämpfen seit Mitte April 2023 die sudanesische Armee und Paramilitärs (Rapid Support Forces – RSF) um die Macht. Mehr als 10.000 Menschen sollen seitdem getötet worden sein. Mindestens sechs Millionen Menschen sind nach UN-Angaben auf der Flucht. Die Versorgungslage ist katastrophal, die Infrastruktur liegt am Boden, die Zivilbevölkerung leidet. Zuletzt hat die UN ihre politische Mission im Sudan beendet. Die Eskalation der Gewalt ist eine humanitäre Katastrophe und ein schwerer Rückschlag für die Demokratiebewegung im Sudan.

Der Konflikt stellt auch eine akute Gefahr für das kulturelle Erbe des Sudan dar. Das Nationalmuseum in Khartum und die Infrastruktur des sudanesischen Antikendienstes (National Corporation of Antiquities and Museums – NCAM) liegen mitten im Kampfgebiet. Auch kulturelle Einrichtungen wie Universitätsgebäude gehören zu den Zielen der RSF. Staatsangestellte, darunter auch das Personal des Antikendienstes werden nicht mehr vom Staat bezahlt. Viele haben aus Sicherheitsgründen die Ballungszentren oder sogar das Land verlassen.

Die Situation in Naga, dem Grabungsort des Staatlichen Museums Ägyptischer Kunst, ist schwer einzuschätzen: Anfang März 2023 endete die bislang letzte Kampagne des Naga-Projekts, in der sowohl die laufenden Grabungen als auch die vom Auswärtigen Amt geförderte Restaurierungskampagne am Löwentempel von Naga planmäßig abgeschlossen werden konnten. Alle Mitarbeitenden des SMÄK haben den Sudan wohlbehalten verlassen. Seit Ausbruch der Kampfhandlungen ist ein direkter Kontakt zu den um Naga herum lebenden Mitarbeitenden und ihren Familien aufgrund der fehlenden Infrastruktur (kein Internetzugang / Mobilfunk) nicht mehr möglich. Sporadischer Kontakt besteht allenfalls über die langjährige Inspektorin des Naga-Projektes, die in Shendi lebt und sich immer noch dort aufhält. Regelmäßige Kontakte bestehen zu den Mitarbeitenden des Antikendienstes (NCAM), denen wir für ihre Bemühungen um den Erhalt des sudanesischen Kulturerbes zu großem Dank verpflichtet sind.

Wir wissen, dass es auch in Naga zu ernsten Zwischenfällen gekommen ist: Ende November 2023 durchquerte ein Konvoi von RSF-Truppen das Wadi Awatib, in dem Naga liegt. In Naga kam es zu Kämpfen mit Militär- und Polizeikräften, die zum Schutz des Ortes stationiert waren. Mehrere Menschen wurden getötet, andere verschleppt. Bereits zuvor waren die Türen des Grabungshauses von Unbekannten aufgebrochen worden. Mögliche Schäden an Material und Ausrüstung können derzeit nicht benannt werden. Die frei zugänglichen antiken Bauten und Altertümern in Naga, vor allem der Amuntempel mit der Widderallee und dem Kiosk, der Löwentempel und die vorgelagerte Hathorkapelle, scheinen bisher keinen Schaden genommen zu haben. Auch das weitläufige Antikenareal ist wohl von Zerstörungen verschont geblieben.

Wir hoffen auf Frieden und darauf, dass die archäologische Stätte Naga nicht zerstört wird und wir unser Projekt fortsetzen zu können. Wir denken an unsere Mitarbeitenden im Naga-Projekt, an unsere Kooperationspartner und Freunde vor Ort und an die gesamte sudanesische Bevölkerung.