31.03.2020

Objekt des Monats April

Die Scheintür der Chnumit

Die Kultnische eines Privatgrabes war ursprünglich mit drei Reliefblöcken ausgekleidet: Einer zentralen Scheintür waren beiderseits zwei schmale Seitenplatten in rechtem Winkel angefügt. Möglicherweise war nur diese Nische aus Kalkstein gefertigt und in die Ziegelarchitektur des Grabes eingefügt. Darauf deuten die unbearbeiteten Außenkanten des zentralen Reliefs hin.
Die Scheintür – eigentlich eine verschlossene Modelltür – bildet in den Gräbern des alten Reiches die Hauptkultstelle: Vor ihr waren Opferplatten und -ständer aufgestellt, auf denen Naturalopfer für die Verstorbenen dargebracht wurden, derer hier gedacht wurde. Hier findet der Kontakt zwischen Diesseits und Jenseits statt, hier kann die Seele des Verstorbenen das Grab verlassen und auch wieder zurückkehren. Die Konzeption der Scheintür hat sich aus der Vorstellung entwickelt, das Grab als Wohnhaus des Verstorbenen aufzufassen. Daraus resultiert ihre Bekrönung mit einer „Hohlkehle“ sowie der umlaufende Rundstab, zwei Elemente, die aus dem Lehmziegelbau stammen.

Das Element der Tür wird im Verlauf des Alten Reiches immer kleiner, dafür gewinnen die Türlaibungen an Raum von denen schließlich mehrere ineinander geschachtelt werden können. Sie tragen meist senkrechte Inschriftzeilen, die Titulatur und Namen des Grabinhabers sowie ein kurzes Gebet an die Götter der Nekropole tragen, die sogenannte Opferformel: „Ein Königsopfer für Anubis, der an der Spitze seines Berges Befindliche, den Herrn der Nekropole; ihr schönes Begräbnis an der westlichen Stelle, ihr Grab der Nekropole, die Verehrungswürdige beim großen Gott, die Hofdame Chnumit“.
Chnumit, die auch als „Priesterin der Göttin Hathor“ bezeichnet wird, ist mehrfach dargestellt: In der zentralen Nische oberhalb der Tür sitzt sie ebenso wie auf den Seitenpaneelen vor einem gutbestückten Opfertisch, und auf Rahmung und Leibung der Tür ist sie viermal unterhalb der senkrechten Inschriftzeile stehend wiedergegeben. Sie trägt ein knöchellanges, enganliegendes Trägerkleid, einen breiten Schmuckkragen sowie eine Kurzhaarfrisur. Die überschlanken Proportionen des Körpers mit dem kleinen Kopf sind typisch für das späte Alte Reich. Dafür spricht auch das sehr flache, an manchen Stellen fast zu einer Ritzzeichnung verkümmerte Relief und seine eher flüchtige Ausführung.

Scheintür der Hathor-Priesterin Chnumit© SMÄK, Marianne Franke

Kalkstein, bemalt
H. 1,35 m, Br. 1,80 m
Altes Reich, 6. Dynastie, um 2200 v. Chr.
ÄS 6288/6761
(Raum „Jenseitsglaube“)