06.03.2023

Figürchen einer Göttin

Kleine stehende Figur einer Frau aus grüner Fayence© SMÄK / Marianne Franke

Die kleine Figur gibt eine stehende Frau mit ausladenden Hüften und vor der Brust überkreuzten Armen wieder. Die mittig gescheitelten Haare sind beidseitig über den freigelassenen Ohren aufgebauscht und in drei Partien aufgeteilt: Zwei Strähnen fallen nach vorne über die Schultern auf die Brust, der größte Teil reicht auf dem Rücken nahzu bis zur Taille herab. Er ist, wie ein eingeritztes Rautenmuster am Hinterkopf andeutet, durch Flechten gegliedert. Diese Frisur nimmt die Strähnenperücke späterer Zeiten vorweg und findet sich genau in dieser Form bei zeitlich etwas früher anzusetzenden Figuren aus Ton und Elfenbein. Die Augen sind durch Vertiefungen angedeutet, weitere Details wie Augenbrauen oder Haarlocken sind durch eine schwarze Bemalung der hellgrün/türkisfarbenen Fayence wiedergegeben.

Besonders interessant ist die runde, wulstartige Basis des Figürchens, auf der der Rumpf direkt aufsetzt. Diese Form ist für kurze Zeit auch in der Steinplastik der protodynastischen Zeit belegt und wird rasch von der dann endgültigen rechteckigen Basis abgelöst.

Zusammen mit kleinen, stark abstrahierten Tierfiguren aus Fayence, vor allem Frösche und Affen sowie Falke, Nilpferd und Krokodil stammt diese kleine Frauenfigur wohl aus dem ältesten Tempel von Abydos. Vergleichbare Stücke sind in den ältesten Heiligtümern auf Elephantine, in Hierakonpolis und im Delta gefunden worden. Vermutlich waren sie Votivgaben nach dem Vorbild größerformatiger Kultstatuen von Göttern in Menschen- und Tiergestalt. Sie belegen, dass bereits in der frühdynastischen Zeit im ganzen Land dieselben Götter verehrt wurden.

Die kleine Figur ist nicht nur eine der frühesten rundplastischen Frauendarstellungen der Pharaonenzeit, sondern auch eines der ältesten Götterbilder, wenn auch die Göttin nicht benannt werden kann.

Fayence
H.7,3 cm, Br. 3,4 cm, T. 2,5 cm
Vermutlich aus Abydos
Frühzeit, 1. Dynastie, um 3000-2800 v. Chr.
München ÄS 1512
(Ausgestellt im Raum „Fünf Jahrtausende“)