01.04.2024
Der „Pilzkopf“ (April, April!)
In verschiedenen Projekten beschäftigen wir uns derzeit mit der digitalen Farbrekonstruktion unserer Objekte und dürfen euch heute ein erstes Ergebnis vorstellen! Aufgrund von Pigmentanalysen ist es uns nun gelungen, die ursprüngliche Farbigkeit der Kopfbedeckung dieser Statue eines asiatischen Würdenträgers wiederherzustellen!
Dieser Statuenkopf ist – abgesehen von den Statuen von Gefangenen – das einzige gut erhaltene Belegstück für die Darstellung eines Nichtägypters in der Plastik des späten Mittleren Reiches. Seine pilzförmige Perücke ist ebenso aus den Darstellungen von Vorderasiaten in ägyptischen Gräbern bekannt wie der Bart, der noch in Umrisslinien auf den Wangen zu erkennen ist.
Auf den ersten Blick sieht dieser leicht überlebensgroße Kopf völlig unägyptisch aus: Die hutähnliche, pilzförmige Frisur ist keine ägyptische Haartracht, und der unterhalb der Schläfen eingeritzte Ansatz eines Bartes ermöglicht die Rekonstruktion eines Kinnbartes, wie er in der Darstellung ägyptischer Männer gleichfalls nicht zu finden ist. Der zweite Blick jedoch zeigt den Ansatz eines Rückenpfeilers im Nacken, wie er typischer Bestandteil einer ägyptischen Skulptur ist.
So muss es sich um den Kopf einer in Ägypten gefertigten Statue eines Ausländers handeln. Die engste Parallele zu diesem Stück wurde in den österreichischen Grabungen im Ostdelta gefunden, in der Hauptstadt Auaris, wo in der Zweiten Zwischenzeit (ca. 1780-1550 v. Chr.) die Hyksos über weite Teile Ägyptens herrschten. Diese Bezeichnung leitet sich ab vom ägyptischen „heka-chasut“, was eigentlich „Herrscher der Fremdländer“ bedeutet, in der Ägyptologie aber analog zum altägyptischen Sprachgebrauch für jene aus Vorderasien stammenden Fremdländer bezeichnet wird, die für einen Zeitraum von rund 200 Jahren Ägypten beherrschten.
Die Hyksos hatten das Land am Nil nicht in einem einmaligen Angriff erobert, sie waren vielmehr zunächst als Handelstreibende schon im Mittleren Reich (ca. 2040-1780 v. Chr.) nach Ägypten gekommen, waren zunächst vereinzelt in Unterägypten sesshaft geworden und hatten dann allmählich das Machtvakuum ausgefüllt, das zu Beginn der 13. Dynastie (etwa 1794-1780 v. Chr.) durch jeweils nur kurz regierende, sich rasch abwechselnde ägyptische Könige entstanden war. Die Hyksos verfügten über neue Technologien und daraus resultierende Waffen und Kriegstechniken, die sie den Ägyptern zunächst überlegen machten: Sie brachten das Krummschwert sowie Pferd und Wagen ins Niltal.
Aufgrund seines Formats und auch seiner Qualität, die sich in der Bildung von Augen und Wangen noch erkennen lässt, muss dieser Kopf zur Statue eines hochstehenden Ausländers gehört haben, eines reichen Handelsherrn oder eines Militärführers, der im Delta ansässig geworden war und sich von einem ägyptischen Bildhauer darstellen ließ.
Kalkstein
H. 35 cm, B. 30 cm, T 31 cm
Mittleres Reich-Zweite Zwischenzeit, 12.-13. Dynastie, 1800-1750 v. Chr.
ÄS 7171
Ausgestellt im Raum „Kunst und Form“. 🍄