01.01.2024

Das Jahr des Drachen

Kleine Figur – großes Thema: Die Statuette zeigt einen männlichen Gott mit Stierkopf, der eine Sonnenscheibe zwischen den Hörnern trägt. In der erhobenen rechten und der vor seinem Körper gesenkten linken Hand hielt er einen Speer, mit dem er ein winziges Nilpferd zu seinen Füßen ersticht. Es ist der Kriegsgott Month, dessen tierische Erscheinungsform ein Stier ist.

Dem Gott Seth fällt die Rolle des Götterfeindes zu, hat er doch seinen Bruder Osiris ermordet, um selbst Herrscher zu werden. Horus, der Sohn des Osiris, erlegt Seth in Gestalt eines Nilpferdes. Die Auseinandersetzung von Horus und Seth versinnbildlicht des ewigen Kampf des Guten gegen das Böse. Götterfiguren, die diese Thematik aufgreifen und meist als Votivstatuen verwendet wurden, sollen auf magische Weise den Sieg des Guten garantieren und auf immer festschreiben.

Month, die ursprüngliche Lokalgottheit von Theben, übernimmt hier die Aufgabe des Horus bei der Vernichtung des Götterfeindes, dessen Gestalt als Nilpferd zur Lächerlichkeit verkleinert ist. Damit wird in dieser Statuette das gewünschte Ergebnis der Auseinandersetzung von vornherein festgeschrieben: Das Gute siegt.

Stehender stierköpfiger Gott aus Bronze, die Arme erhoben, als ob er einen Speer trägt.© SMÄK, M. Franke

Wie die meisten Tiere hat das Nilpferd eine ambivalente Bedeutung: Einerseits ist es positiv besetzt und gibt der Göttin Thoeris, der Schutzgottheit für Mutter und Kind, ihre Gestalt. Andererseits hat es aber auch eine negative Konnotation und verkörpert den Götterfein Seth. Diese Rolle kann auch von anderen Tieren verkörpert werden, etwa von einer Schildkröte, einem Krokodil oder einer Schlange.

Seit dem Neuen Reich wird Month beim Erstechen von – zunächst menschlichen Feinden – gezeigt. Dieses Motiv erscheint erstmals auf den Modellbooten aus dem Grab des Königs Amenophis II. Auch der Gott Onuris tritt als Helfer von Osiris auf und ersticht den Götterfeind Seth in Gestalt eines Nilpfderdes.

In römischer Zeit wird Horus dann in Angleichung an die Ikonographie des Kaisers mit Rüstung hoch zu Ross beim Speeren eines Krokodils oder einer Schlange dargestellt. Aus diesem Darstellungstypus hat sich im spätantiken Ägypten schließlich das Motiv des koptischen Reiterheiligen entwickelt, der den Drachen tötet – im Bild des Heiligen Georg bis heute präsent.

Bronze
H. 19,5 cm, Br. 2,8 cm, T. 7,0 cm
Spätzeit, ca. 700-500 v. Chr.
ÄS 1531
(ausgestellt im Raum „Religion“)