11.11.2020

„Bleib stehen, du böser Wandelgeist“

Objekt des Monats November

Ein langer beschrifteter Papyrus© SMÄK, Marianne Franke

Magische Papyri, die den Menschen im Alltag schützen sollten, konnten ein Bildmotiv oder einen Text tragen. Sie wurden eng eingerollt und verschnürt; anschließend wurden sie im Haus aufbewahrt oder direkt am Körper getragen. Eine kunstvolle Schnürung und vielfache Verknotung des magischen Papyrus verstärkt dessen Wirksamkeit.

Dieser magische Papyrus wurde in Form eines Papyrusröllchens im Kunsthandel erworben und in den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts entrollt. Bei dem Inhalt handelt es sich um einen magischen Text, und zwar um die Beschwörung eines „schädlichen Wandelgeistes“ zugunsten eines Mannes namens Petehorpsenese („Den-Horus-gegeben-hat-Der-Sohn-der-Isis“), einem Sohn der Esoueris („Isis-die-Große“); ein Titel des Besitzers ist nicht angegeben. Aufgrund dieser beiden Personennamen besteht die Möglichkeit, dass der Papyrus aus dem Fayum stammt, da insbesondere der Name des Amulettbesitzers dort nach Aussage demotischer Hawara-Urkunden sehr geläufig ist.

Der Papyrus besteht aus 20 Fragmenten; Beschädigungen durch Brüche, Löcher und Faserabsplitterungen erschweren die Lesung und das Verständnis des Textes in hieratischer Schrift. Am rechten Rand befindet sich ein unbeschrifteter Streifen; die Rückseite dieses Streifens stellte gleichzeitig das äußerste Ende der Außenseite dar, als der Papyrus noch im ungeöffneten Zustand zusammengerollt und verschnürt gewesen ist.

Neben dem rechten Rand des Textes schließt eine Vignette mit den 6 Göttern Ptah, Min, Horus, Thot, Isis und Nephthys mit namentlich überschriebenen Anrufungen an diese Gottheiten an.

Die Handschrift des Papyrus erweist sich als überwiegend recht kursiv bis flüchtig, mit bisweilen eigenwilligen Zeichenformen. Dennoch gibt es große Übereinstimmungen mit etwa gleichzeitigen, ebenfalls kursiv geschriebenen Totenbüchern. Sämtliche paläographischen und orthographischen Indizien legen eine Datierung in die frühe Ptolemäerzeit nahe.

Der Papyrus München enthält die Abschrift eines Zauberspruches gegen einen „schädlicher Wandelgeist“ genannten Dämon. Dieser wird von einem Magier beschworen, nicht in einen Aha genannten Körperteil des Patienten „einzudringen“ und sich dort zu „verbergen“; andernfalls droht der Magier mit kosmischen und kultischen Störungen.

»Bleib stehen, du böser Wandelgeist! (…)   
Nicht sollst du diese Krankheit gegen ihn hervorrufen.
Nicht sollst du Migräne in seinem Kopf bewirken.
Nicht sollst du Betäubung in seinen Ohren bewirken.
Nicht sollst du Schwachsichtigkeit in seinem Auge bewirken.
Nicht sollst du einen Schaden an seinen Zähnen bewirken. (…)
Nicht sollst du über ihn kommen in seiner Nacht.
Nicht sollst du gegen ihn vorgehen im Traum.
Nicht sollst du ihn überfallen in welcher Gestalt auch immer,
sei es als Wiedergänger, sei es als Lebender (…)
Genau so wenig werde ich zulassen,
dass die Toten, die sich in der Nekropole aufhalten,
die Lebenden belästigen. 
Bleib’ ja stehen!
›Der-böse-Hauch‹ ist dein Name.«
(Übersetzung Hans-Werner Fischer-Elfert)

Papyrus
B. 78 cm, H. 6,5 cm
Fayum
Ptolemäerzeit, 3. Jhdt. v. Chr.
ÄS 5882a 
(ausgestellt im Raum „Schrift und Text“)

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