13.07.2020

50 Jahre Staatliches Museum Ägyptischer Kunst

Am 15. Juli 1970 wurde im Hofgartentrakt der Residenz das Ägyptische Museum eröffnet, womit die im Laufe der vergangenen zwei Jahrhunderte an verschiedenen Orten untergebrachten und mehreren Institutionen zugeordneten Aegyptiaca erstmals eine gemeinsame Heimstatt erhielten und dem Publikum in einem eigenständigen Museum zugänglich wurden.

5 Jahrzehnte – 5 Objekte

Kniefigur des Senenmut© SMÄK, M. Franke

01 – 70er Jahre

Auftakt

Kniefigur des Architekten Senenmut mit Symbol der Göttin Hathor

Der Erwerb dieser außergewöhnlichen Statue einer berühmten Persönlichkeit – Senenmut war der Architekt des Terrassentempels der Hatschepsut in Deir el-Bahari und Erzieher und Vermögensverwalter ihrer Tochter – hatte Signalwirkung für den internationalen Kunsthandel: Da gibt es ein kleines, unbekanntes Museum in München, das sich für Spitzenobjekte altägyptischer Kunst interessiert – und sogar die Mittel hat, diese auch zu erwerben!

Neues Reich, 18. Dynastie, um 1470 v. Chr.
Granit
Armant
ÄS 6265

Erwerbung 1976

Doppelstatue des Niuserre© SMÄK, M. Franke

02 – 80er Jahre

Superlativ

Doppelstatue des Pharao Niuserre

Es ist die einzige vollständig erhaltene Königsfigur des Alten Reiches in ganz Europa – und der bislang einzige Beleg für diesen Statuentyp aus der Pyramidenzeit. München kann mit diesem Ankauf sein Profil als Kunstmuseum schärfen und ist weltweit das einzige ägyptische Museum mit diesem Schwerpunkt – und wird international zu einem begehrten Leihgeber für die jetzt boomenden großen Ägyptenausstellungen.

Altes Reich, 5. Dynastie, um 2390 v. Chr.
Kalzit
ÄS 6794

Erwerbung 1983

Sargmaske der Satdjehuti© SMÄK, M. Franke

03 – 90er Jahre

Glücksfall

Oberteil des Sarges der Königstochter und Königsschwester Sat-Djehuti

Auf diesem Porträt läßt sich die Kunstgeschichte einer ganzen Epoche aufbauen, und die lange Inschrift auf der Rückseite mit Nennung von Namen und Titel der Dargestellten trägt wesentlich zur Genealogie dieser Zeit bei. Da es sich um das älteste Beispiel des Totenbuches handelt, ist sie auch für die Religionswissenschaft überaus interessant. Handwerkliche Details der Augeneinlagen, die Verarbeitung des Holzes und die Goldauflage liefern wichtige Erkenntnisse zur Technologie. Und neben diesen vielen wissenschaftlichen Erkenntnissen ist dieses Objekt überaus attraktiv und zieht jeden Besucher in seinen Bann – was kann man sich mehr von einer Neuerwerbung wünschen?

Zweite Zwischenzeit, 17. Dynastie, um 1575 v. Chr.
Sykomorenholz, stuckiert, vergoldet 
Theben-West

ÄS 7163

Erwerbung 1998

Bronzefigur der Göttin Maat© SMÄK, Marianne Franke

04 – 00er Jahre

Passgenau

Statuette der Göttin Maat

Als 2002 die Entscheidung für einen Museumsneubau fiel und in den folgenden Jahren die Konzepte für die thematischen Räume der Dauerausstellung erstellt wurden, ändere sich damit auch die Ankaufspolitik des Museums. Nun stand nicht mehr das herausragende Kunstobjekt im Mittelpunkt des Interesses, es wurde vielmehr gezielt nach ganz bestimmten Stücken gesucht und „auf Lücke“ gekauft. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Statuette der Maat, dem Symbol von Wahrheit, Gerechtigkeit und Weltordnung, an dem jeder König sein Handeln auszurichten hat. Daher steht sie im Zentrum einer großen Wandvitrine im Raum „Pharao“.

Bronze
Spätzeit, 800-500 v. Chr.
ÄS 7275

Erwerbung 2008

Porträtkopf Pa-Ramessu© SMÄK, M. Franke

05 – 10er Jahre

Detektivarbeit

Statuenkopf eines hohen Beamten

Aus stilistischen Gründen läßt sich dieser Kopf recht gut ins Ende der 18. Dynastie datieren, in die sogenannte Nach-Amarnazeit unter der Herrschaft des Haremhab. Auf der Rückseite gibt es ein kleines ikonographisches Detail, aus dem sich die Kleidung des Mannes rekonstruieren läßt: Er trug einen langen, über die Brust hochgezogenen Schurz, der von einer Art Spagettiträger um den Hals gehalten wurde. Dies ist typisch für die Kleidung des Vezirs, des höchsten ägyptischen Beamten. Nun kennt man den Vezir dieser Zeit – einen Mann namens Pa-Ramessu, der von Haremhab adoptiert und zu seinem Nachfolger gemacht wurde. Als König nahm er den Namen „Ramses“ an und begründete eine neue, die 19. Dynastie, wir benennen ihn heute als Ramses I.

Neues Reich, 18. Dynastie, um 1310 v. Chr.
Granit
ÄS 7924

Erwerbung 2015

Neuerwerbung

Fayence-Figur eines Ptolemäer-Königs© SMÄK, Marianne Franke

Fragment einer figürlichen Gefäßapplikation

Der im Hochrelief gearbeitete, nach links gewandte Oberkörper eines Mannes ist bis zur Taille erhalten. Er trägt einen Muskelpanzer, um Schultern und Hals ist mit großzügigem Faltenwurf der kurze Reitermantel (Chlamys) gelegt, die linke Hand umfaßt den Griff eines Kurzschwertes. Über den halblangen, leicht gewellten Haaren liegt nachlässig eine Binde, die im Nacken geknotet ist.

Das füllige Gesicht wird geprägt von den kleinen Augen, die von Tränensäcken und schweren Lidern gerahmt werden, einem kleinen Mund mit aufgeworfenen Lippen sowie dem fleischigen Doppelkinn. Diese Merkmale sind typisch für die Stilistik des hellenistisch geprägten Herrscherporträts der Ptolemäer.

Der ursprüngliche Kontext der Figur läßt sich an den Überresten einer dünnen Gefäßwandung erkennen, die sich vor allem hinter dem Kopf und rechts der Hüfte erhalten hat: Die Relieffigur bildete die figürliche Applikation eines Gefäßes. Als unmittelbarer Vergleich läßt sich eine Gruppe von Fayencegefäßen heranziehen, die im 3.-2. Jhdt. v. Chr. in Alexandria entstanden sind. Es handelt sich um kleine Krüge (Oinochoe), die als Applikation die meist nach rechts gewandte Gestalt einer Königin zeigen, die im linken Arm ein Füllhorn trägt und in der rechten Hand einen Teller hält, mit dem sie auf einem Hörneraltar ein Opfer darbringt.

Diese Henkelkrüge werden Ptolemäer- oder Berenike-Kannen genannt, womit lediglich auf die Königinnen dieser Zeit, nicht auf eine bestimmte historische Persönlichkeit verwiesen wird. Parallel dazu wird man in der männlichen Figur einen Ptolemäer-Herrscher erkennen können, was von Ikonographie und Stilistik unterstützt wird. Während die Berenike-Kannen bzw. Applikationen häufiger belegt sind, ist die männliche Version bislang kaum bekannt.

Vermutlich wurden diese Gefäße im Kontext des Herrscherkultes verwendet, da in der Ptolemäerzeit Könige und Königinnen, meist gemeinsam, bereits zu Lebzeiten als Götter verehrt wurden. Darauf könnte auch die Binde verweisen, die ansonsten von Priestern beim Opfer getragen wurde und hier das sonst in der Herrscherikonographie übliche Diadem ersetzt.

Fayence
Wohl aus Alexandria
H. 8 cm
Ptolemäerzeit, 2.-3. Jhdt. v. Chr.
ÄS 8040