Sammlungsgeschichte

Das Ägyptische Museum verdankt sein Entstehen der Kunstsinnigkeit bayerischer Fürsten. Es reicht in seinen Anfängen bis in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts zurück, als Herzog Albrecht V. von Bayern die Residenzstadt München zur Stadt der Künste erhob und für seine Kunstkammer die ersten Aegyptiaca erwarb. Wesentliche Ankäufe tätigten dann zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Angehörigen des Hauses Wittelsbach.

100 Jahre später wurde erstmals eine eigenständige, von anderen Institutionen unabhängige Sammlung altägyptischer Kunst in der Münchner Residenz präsentiert. Nach den Zerstörungen des 2. Weltkriegs kam es erst Anfang der 1970er Jahre erneut zu einer dauerhafte Präsentation ägyptischer Antiken. 2013 zog das Staatliche Museum Ägyptischer Kunst in einen spektakulären Bau im Herzen des Münchner Kunstareals.

Ludwig I.

Einen bedeutenden Teil seiner Bestände verdankt das Museum König Ludwig I. von Bayern (1825–1848). Bereits als Kronprinz erwarb Ludwig altägyptische Objekte und fasste den Entschluss, die Präsentation seiner Antikensammlung in der 1830 eröffneten Glyptothek mit einem „Aegyptischen Saal“ zu beginnen. Er verstand die ägyptische Kunst als die „Hauptgrundlage, auf welcher die griechische Plastik ruht“ und begründete mit seinem Erwerb von „Werken ausgezeichneter Schönheit“ die heutige Konzeption des Museums als Kunstmuseum.

Ägyptisierende Stand-Schreitfigur des Antinoos, Günstling Kaiser Hadrians© SMÄK, M. Franke
Gemälde Wilhelm Kaulbach, Ludwig I. als Mäzen

Im Jahre 1816 erreichte Ludwigs erste Erwerbung München: die lebensgroße Statue eines falkenköpfigen Gottes. Bereits in der Antike nach Rom gekommen und dort 1635 entdeckt, wurde die Statue zu einer Ikone der Ägyptenbegeisterung im 17. und 18. Jahrhundert. Noch im selben Jahr ersteigerte Leo von Klenze für den Kronprinzen acht großformatige ägyptische Denkmäler aus der Sammlung Albani, darunter einen römischen Obelisken, die Statue des Antinoos und ägyptisierende Statuen aus der Villa Adriana in Tivoli. Zahlreiche weitere Ankäufe folgten.

Mit den Erwerbungen Ludwigs wurde München innerhalb kürzester Zeit zu einem der wichtigsten Standorte ägyptischer Kunst in Europa.

Neben der Glyptothek gab es weitere Ausstellungsräume für ägyptische Antiken. Dazu gehörten das Antiquarium der Residenz und die Vereinigten Sammlungen König Ludwigs I. im Galeriegebäude am Hofgarten, die später im neuen Königlichen Antiquarium (heute Antikensammlungen) am Königsplatz zusammengefasst wurden.

Akademie

Bereits König Max I. Joseph von Bayern (1806 – 1825) hatte das Interesse der Bayerischen Akademie der Wissenschaften an orientalischen Studien sowie am Besitz ägyptischer Altertümer gefördert. Zeitgleich zu den Erwerbungsaktivitäten Ludwigs I. begann die Akademie unter ihrem Generalsekretär Friedrich von Schlichtegroll vor allem beschriftete Denkmäler wie Särge und Stelen anzukaufen.

Ziel war es, Forschungsmaterial zu sammeln, das es ermöglichte, an den internationalen Bemühungen um die Entzifferung der Hieroglyphen teilzunehmen. Die Erwerbungen wurden ab 1818 im Alten Akademiegebäude in der Neuhauser Straße aufgestellt.

1820 kaufte die Akademie einige prachtvoll dekorierte Särge der Dritten Zwischenzeit, Mumien und kleinere Aegyptiaca aus der Sammlung des Botanikers und Ägyptenreisenden Franz Wilhelm Sieber. Nach langwierigen Verhandlungen konnte schließlich 1825 auch die Sammlung des Hauptmanns Ferdinand Michel aus 17 Stelen des Mittleren und Neuen Reiches erworben werden, die dieser in Ägypten zusammengetragen hatte. Einige Objekte gingen später in die Bestände der Glyptothek ein, andere wurden in das Antiquarium in der Residenz überstellt, das bereits seit 1807 Attribut der Akademie war.

Das Sargensemble der Henut-Taui in einer Vitrine© SMÄK, Marianne Franke
Die Stele des Usi© SMÄK, Marianne Franke

Freistaat und Ankäufe

Kniestatue des Senenmut aus schwarzem Stein© SMÄK, Marianne Franke
Eingang Portalwand© SMÄK, M. Franke

Mit dem Ende der Monarchie in Bayern 1918 gingen auch die altägyptischen Objekte in den Besitz des Freistaats Bayern über, der die Sammlung seither durch Ankäufe stetig erweitert. Unter der Leitung von Alexander Scharff wurde ab 1934 erstmals eine eigenständige Ägyptische Sammlung der Öffentlichkeit präsentiert. Sie befand sich bis zur kriegsbedingten Schließung gemeinsam mit dem Ägyptologischen Institut in der Münchner Residenz. Die Auslagerung der Objekte während des 2. Weltkrieges verhinderte größere Verluste, während die Ausstellungsgebäude weitgehend zerstört wurden.

Nach einer ersten Präsentation im Jahr 1966 im Haus der Kulturinstitute vereinigte Hans Wolfgang Müller 1970 alle ägyptischen Denkmäler, darunter erstmals auch die Bestände der Glyptothek, in der Staatlichen Sammlung Ägyptischer Kunst in der Residenz. Ab 1975–1988 wurde das Museum von Dietrich Wildung, ab 1989–2021 von Sylvia Schoske geleitet. Unter ihnen erfolgten wichtige Neuerwerbungen und zahlreiche Sonderausstellungen, die den Weg zu einem Museumsneubau vorbereiteten.

Im Jahr 2000 wurde die Sammlung in Staatliches Museum Ägyptischer Kunst umbenannt. Mit einem Architekturwettbewerb schuf der Freistaat Bayern im Jahr 2003 die Grundlagen für einen Museumsbau, der nach 10-jähriger Planungs- und Bauphase im Juni 2013 eröffnet werden konnte. Das Haus hat sich als Kunstmuseum von Weltrang und wichtiger Kulturort im Herzen des Münchner Kunstareals positioniert.

Grabungen

Zahlreiche Objekte des Museums stammen aus der Beteiligung an archäologischen Grabungen. Von besonderer Bedeutung für die Sammlung ist Friedrich Wilhelm Freiherr von Bissing, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts Ausgrabungen in Ägypten durchführte und Unternehmungen anderer Forscher finanzierte. Die daraus resultierenden Fundteilungen ergaben zusammen mit weiteren Ankäufen eine der größten Privatsammlungen altägyptischer Antiken. Durch großzügige Schenkungen an die Glyptothek und spätere Verkäufe an den Freistaat gelangten viele Objekte der einstigen Sammlung Bissing in das Ägyptische Museum.

Stand-Schreit-Figur des Ipi aus hellem Stein© SMÄK, Marianne Franke
Die Widderallee zum Amun-Tempel in Naga© Naga-Projekt

Die museumseigene Grabung in Minshat Abu Omar vom Ende der 1970er bis Ende der 1980er Jahre im östlichen Nildelta führte zu einer der letzten Fundteilungen zwischen Ägypten und einer archäologischen Mission. Seit Mitte der 1980er Jahre ist die Ausfuhr von Antiken aus Ägypten untersagt. Die dem Museum überlassenen Objekte werden heute unter anderem in einem nachgestellten Grab der ägyptischen Frühzeit präsentiert.

Das Naga-Projekt, seit 2013 archäologisches Grabungsprojekt des Museums, erforscht eine antike Stadt des Königreichs von Meroe im heutigen Sudan. Einige Funde können als Leihgaben im Münchner Museum gezeigt werden und ergänzen Objekte aus dem antiken Sudan, die seit der Erwerbung eines meroitischen Goldschatzes durch Ludwig I. einen Sammlungsschwerpunkt bilden.

Privates Engagement

Neben den Mitteln, die der Freistaat Bayern den staatlichen Museen und Sammlungen zur Verfügung stellt, wird das Ägyptische Museum durch private und öffentliche Stiftungen und Förderer unterstützt. Wesentlichen Anteil daran hat der Freundeskreis des Ägyptischen Museums München e.V., der seit seiner Gründung 1976 die Belange des Museums maßgeblich fördert. Seit den 1970er Jahren begleitete der Freundeskreis engagiert diverse Überlegungen für einen Museumsneubau.

Immer wieder erwirbt er bedeutende Objekte für das Museum und hat sich dabei, aufbauend auf dem Grundsatz Ludwigs I., der Erwerbungsphilosophie des Museums angeschlossen: die Konzentration auf hochkarätige Objekte, die sich in das Konzept einer Sammlung ägyptischer Kunst einfügen. Die Präsentation und den Erhalt der Objekte fördert der Freundeskreis durch die Finanzierung umfangreicher Restaurierungsmaßnahmen. Eine Mitgliedschaft im Verein steht allen Interessierten offen.

Amun mit Federkrone© SMÄK
Blick in das Atrium des Museums. Darin steht die schwarze Bronzestatue einer nackten Frau.© SMÄK

Die Bestände des Museums werden ergänzt durch ausgesuchte Kunstwerke privater Leihgeber. Eine Besonderheit des Hauses ist dabei der Dialog mit der Kunst der Gegenwart, der für die Begegnung von zeitgenössischer Skulptur, Installation oder Malerei mit altägyptischer Kunst sorgt.